Mystik und Religionsphilosophie im 21. Jahrhundert

Verehrter Leser, verehrte Leserin,

Sie haben eine Seite geöffnet, die vom Anspruch und Inhalt her vielleicht eine Einmaligkeit innerhalb des Spektrums von Veröffentlichungen darstellt, welche sich allgemein mit Religion, Spiritualität oder Glauben beschäftigen.

Vereinfacht gesagt gibt es heute auf diesem Gebiet zwei Hauptströmungen: Auf der einen Seite sind da alle Gruppen und Individuen, die sich im weitesten Sinn auf traditionelle Religionen, Stifter von religiösen Gemeinschaften und Heiligen Schriften berufen, auf der anderen Seite stehen die Vertreter, die sich unabhängig von tradierten Bindungen, Dogmen und überlieferten Glaubensstrukturen in scheinbar freier Wahl dem zuwenden, was man gemeinhin heute unter Spiritualität, Esoterik oder dem weiten Feld der östlichen Yoga-Lehren versteht. Der ersten Gruppe, die ich der Einfachheit halber unter dem Begriff der „Dogmatiker“ zusammenfasse, ist gemeinsam, dass sie daran festhalten, dass Gott durch Propheten, Engel, Gottessöhne und Heilige Schriften seinen Willen, seine Gebote und seinen Heilsplan der Menschheit zur Kenntnis gebracht hat, und die das Heil und die Erlösung sowohl des einzelnen als auch der gesamten Menschheit in der getreuen Befolgung dieser so offenbarten göttlichen Lehren sehen. Die zweite Gruppe hingegen, die ich unter dem Begriff „Esoteriker“ (im Sinne von innerem Pfad) zusammenfasse, vertritt im großen und ganzen die Auffassung, dass der einzig wahre Weg nur der innere, sich selbst erschlossene sein kann, der sich jedem einzelnen auf ganz individuelle Weise zeigt. In der Regel stehen sich diese beiden Auffassungen skeptisch und mit Unverständnis gegenüber, wobei die erste Gruppe die zweite mindestens für verloren, während die zweite die erste für veraltet und mehr oder weniger für irrelevant hält. Während die „Dogmatiker“ sich dabei in erster Linie auf den Glauben und die überlieferte Lehre berufen, meinen die „Esoteriker“, sich auf ein besonderes inneres Wissen und ihre persönliche Erfahrung stützen zu können. Eine Kommunikation oder ein Gedankenaustausch zwischen diesen Gruppen findet so gut wie nicht statt; beide bleiben, wenn nichts Dramatisches passiert, in ihren jeweiligen Verständnisblasen gefangen.

Mein bereits über vierzig Jahre andauernder geistiger Weg ist nun gewissermaßen der lebende Beweis dafür, dass die Wahrheit, wie fast überall, genau in der Mitte liegt, beziehungsweise, dass es durchaus eine Brücke zwischen diesen beiden scheinbar unversöhnlichen Positionen von „Dogmatik“ und „Esoterik“ geben kann. Denn ich habe auf meiner langen Suche tatsächlich in den Lehren der großen Heiligen Schriften wie Bhagavad Gita, I Ging, Tao Te King und allen voran in der Bibel zwar im großen und ganzen eine gemeinsame universelle Wahrheit gefunden, also die Position der „Dogmatiker“, habe aber gleichzeitig erkannt, dass sich jeder selbst diese Wahrheit erst noch auf individuelle Weise durch die innere Erfahrung, verbunden mit einem lebendigen Glauben, erschließen muss, was also im wesentlichen der Standpunkt der „Esoteriker“ ist.

Dieser Gegensatz wäre vergleichbar einer realen Expeditionsreise durch ein Gebiet, das man persönlich zum ersten Mal zu begehen in Angriff nimmt und das für seine Schwierigkeiten und Gefahren bekannt ist. Man mag vorneweg über noch so gutes Kartenmaterial und ganz detaillierte Reisebeschreibungen verfügen – und womöglich darüber hinaus einen erfahrenen und kompetenten Führer sein eigen nennen – aber auf seinen eigenen Füßen gehen muss doch ein jeder den Weg selbst, will er oder sie wahrhaftig erfahren, wie dieser sich anfühlt, wie er riecht und ausschaut und was für Stimmen und Geräusche dabei zu vernehmen sind – und nicht zuletzt, welche Hindernisse auf ihm lauern und zu überwinden sind. Wenn wir in unserem Bild mit den beiden Gruppen bleiben, so wären die „Dogmatiker“ allzu oft jene, die meinen, dass es reiche, die Karten und Reisebeschreibungen nur zu studieren und vielleicht auswendig zu lernen, um dann womöglich darüber zu referieren, während die „Esoteriker“ es ablehnen, überhaupt auf irgendwelche Karten oder Reiseaufzeichnungen zurückzugreifen, um sich gleich so wie sie sind auf den Weg zu machen, in der irrigen Annahme, sie könnten sich dabei ganz alleine auf ihr „Gefühl“ und ihre positive Einstellung verlassen. Und sollten sie wirklich einmal mit ihrem Latein an ein Ende kommen, so würde sich schon jemand oder etwas finden lassen, was ihnen weiter hilft, das Ziel zu erreichen. Und schließlich sei ja „der Weg das Ziel!“ Die Wahrheit ist jedoch die, dass die große geistige Reise unseres Lebens erst dann ans Ziel gekommen ist, wenn sie im Geist und in der Wahrheit vollendet worden ist. Das klingt nur im ersten Moment wie eine Tautologie.

Ich habe diese Seite im Untertitel bewusst „Mystik und Religionsphilosophie im 21. Jahrhundert“ genannt. Denn die Religionsphilosophie vermittelt die Lehre und das Wissen, worum es überhaupt geht in dieser unserer irdischen Existenz, was ihr eigentlicher Sinn ist. Und die Mystik ist die notwendige praktische Entsprechung, wie Lehre und Wissen als persönliche Einsicht und innere Erfahrung erlebbar und lebendig werden können. Beides verhält sich zueinander in etwa so wie Henne und Ei. Ohne Ei gäbe es keine Hennen und nur Hennen können wiederum Hühnereier produzieren.

Das Argument, das man heute im Zeitalter des Relativismus in diesem Zusammenhang sehr häufig hört, heißt: „Wozu Heilige Schriften oder eine spirituelle Lehre – ich folge einfach meiner Intuition und meinem Gefühl.“ So naheliegend und verführerisch dies auch klingen mag, ist diese Argumentation doch nicht wirklich plausibel, sondern nur kindliche Fantasie, hinter der oft das unbewusste Wunschdenken steht, der geistige Weg möge doch bitte gefälligst einfach sein und der menschlichen Natur entgegenkommen. Und so ist diese Position in der heutigen Zeit der „Instant-Erleuchtung“ überaus weit verbreitet geworden.

Der Mensch ist ein soziales Nachahmungsgeschöpf, auch wenn sich gerade heute, in den Zeiten der galoppierenden Egozentrik, das viele nicht eingestehen wollen. Aber Erfahrungstatsache bleibt, dass wir uns immer auf die eine oder andere Weise an älteren, reiferen, scheinbar oder wirklich klügeren und mit mehr Wissen ausgestatteten Homo Sapiensen orientieren, allerdings auf diese Weise ohne Garantie der Wahrheitsfindung. Denn die Wahrheit ist kein demokratischer Prozess und auch nur zum Teil von menschlicher Einsicht abhängig. Hingegen bin ich nach über vierzig Jahren des Forschens und der persönlichen Erfahrung mit dem geistigen Weg der festen Überzeugung, dass das, was man die „Heiligen Schriften“ nennt, tatsächlich Offenbarungen des Göttlichen als Geschenk an eine, sich spätestens seit der Aufklärung nur auf ihr eigenes begrenztes Verstandesvermögen stützende, verlorene Menschheit ist. Wie sehr die Menschheit auch heute eine solche absolute Richtlinie nötig hätte, dafür ist der tatsächliche moralische, materielle und geistige Zustand der Welt bereits der anschaulichste Beleg.

In diesem Sinne möchte ich diese meine Seite „Yehudi Spirit“ als Möglichkeit verstanden wissen, in einer Zeit des Materialismus, Relativismus und Nihilismus eine Orientierungshilfe zu bieten, für die kleine Minderheit jener, die ernsthaft auf der Suche nach dem tieferen Sinn dieses Erdenlebens sind. Da ich nicht über einen Professor- oder Doktortitel verfüge, auch keinerlei offiziell anerkanntes geistiges oder spirituelles Amt bekleide und ich mich zudem weder als Guru noch als Führer betrachte, so beruht der Wert der hier von mir vermittelten Ideen und Gedanken einzig und allein darauf, inwieweit diese Botschaft in Ihrem Inneren, mein geschätzter Leser, werte Leserin, eine Resonanz von Wahrhaftigkeit, Stimmigkeit, Plausibilität und vielleicht sogar Schönheit anklingen lässt oder nicht.

Frieden, Peace, Shalom, Shanti!

Ihr ergebener Maximilian Yehudi Schäfer

Home Bild