Der große Schweizer Psychologe Carl Gustav Jung sprach als Wissenschaftler vom Menschen als einem in seiner tiefsten Schicht genuin religiösen Wesen. Er verstand dabei unter dem Begriff Religion nicht die Kirche, sondern gemäß dem Wortsinn (religio = zurückverbinden) einen in jedem Menschen angelegten religiösen Sinn, der noch unter allen anderen Wesensschichten wie der Ratio, dem Gemüt, dem Über-Ich oder der Triebstruktur liegt.
Dieses Konzept wird von einigen empirischen Tatsachen bestätigt, wie zum Beispiel der, dass die Heiligen Schriften der Hochkulturen die mit Abstand meistgelesene Literatur der Menschheit sind, aber auch, dass jedes kleine Kind eine gewisse religiöse Veranlagung schon mitbringt und auf ganz natürliche Weise für spirituelle Inhalte wie zum Beispiel Märchen oder Legenden empfänglich ist, auch in Fällen, wo dieser Bereich ihnen nicht von Eltern oder Erziehern vermittelt wurde. Dieses Phänomen widerlegt nebenbei auch die vom akademischen Zeitgeist vertretene pseudowissenschaftliche These, dass der Mensch zur Gänze ein soziales Konstrukt sei, also ausschließlich von sozialen Einflüssen geprägt wird.
So gesehen kann man sagen, dass jeder Mensch in sich noch immer einen, wenn auch oft verschütteten, Zugang zum Numinosen hat, so dass der ganze Bereich des Übersinnlichen oder eben der Mystik auch für einen normalen Durchschnittsmenschen nichts Exotisches oder gar Anrüchiges haben sollte. Tatsächlich stellt man aber fest, dass dieses Wort Mystik fast gänzlich aus unserer Alltagssprache entfernt und sogar mit einem feingesponnenen Tabu belegt wurde, wie überhaupt das Geistige von den maßgeblichen politischen, medialen und akademischen Kreisen nicht nur aus Religion und Wissenschaft, sondern fast gänzlich aus dem öffentlichen Diskurs verbannt worden ist. In wohl keiner Generation vorher war der alleinige Primat des rein rationalen Verstandes so sehr Voraussetzung dafür, um an den sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen überhaupt mitbestimmend teilhaben zu können, wie in der unseren. Demgemäß betrachtet dieses zeitgeistige Denken ein Phänomen wie eine mystische Erfahrung, wo auch immer sie sich darstellt, sofort als Einbildung, Fantasie oder Überspanntheit, ähnlich dem Chaos nächtlicher Träume, in jedem Falle aber als Privatsache, über die in der Öffentlichkeit, ja selbst im Freundeskreis nicht gesprochen werden sollte.
Da dieses Mystische aber, wie wir gesehen haben, ganz ursprünglich zum Menschen gehört, kann eine solche Amputation nicht ohne Folgen für die seelische Ganzheit und geistige Gesundheit des Menschen bleiben, und so steht der schrille Hochglanzflitter prächtiger Geschäftsmeilen als ein Monument modernen Götzentums oft genug im umgekehrten Verhältnis zu der Leere der Augen und Ausdruckslosigkeit der Gesichter der in ihnen flanierenden Menschen.
Es herrscht inzwischen unter den Fachleuten der Geschichtswissenschaften und Soziologie ein Konsens darüber, dass der Stellenwert dieses Materialismus zum großen Teil mit dem Siegeszug der Epoche der „Aufklärung“ in Mitteleuropa begann. Dabei versuchte hauptsächlich das gebildete Bürgertum aus durchaus berechtigter Skepsis gegen verhärtete kirchliche Dogmen auf der einen und einen wildwuchernden Aberglauben im einfachen Volk auf der anderen Seite das über viele Jahrhunderte gewachsene christliche Glaubensgebäude, das Generationen von Menschen einen inneren Halt zu geben vermochte, ganz einzureißen, ohne etwas Substantielles an dessen Stelle setzen zu können. Man könnte auch sagen, man hat kollektiv „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, indem man mit der Entmachtung der großen Kirchen auch gleich den Heilsgedanken und die Idee vom göttlichen Ursprung der Seele mit entsorgte.
Hier ist es aber nötig, eine Einschränkung zu machen. Ebenso wie die veröffentlichte Meinung nicht identisch ist mit der öffentlichen Meinung, so entsprechen nicht alle elitären Auswüchse einer akademischen Elite dem, was im gesunden Volksempfinden lebendig ist. Dies zeigte sich im 20. Jahrhundert besonders eindrücklich im russischen Volk, dem eine über sechzig Jahre andauernde staatlich verordnete, brutal atheistische Indoktrination nicht seine seit Jahrtausenden gewachsene, tief verwurzelte Volksfrömmigkeit auszutreiben vermochte.
Und obwohl heute alle Umfragen scheinbar etwas anderes zeigen, dass es nämlich besonders in Mitteleuropa und Amerika noch nie einen so hohen Anteil von Menschen gab, die sich selbst als Atheisten bezeichnen, trügt der Eindruck. Denn nicht jeder von ihnen lehnt gleichermaßen alles Übersinnliche, Geheimnisvolle, Spirituelle, Okkulte oder eben Mystische ab. Man muss hier sehr vorsichtig mit Begrifflichkeiten und Vorstellungsbildern umgehen. Zum Beispiel hätten viele von denen, die sich selbst als Atheisten einstufen würden, bei genauerem Nachfragen in Wirklichkeit eine Einstellung, die man etwa so in Worte fassen könnte: „Ja, eigentlich denke ich schon, dass es da draußen irgendetwas Höheres geben muss, aber an einen alten Mann mit langem grauen Bart kann ich nicht glauben…“ Diese neue Art von „Gläubigkeit“ ohne Dogmen und definierte Glaubensstrukturen drückt sich dann auch in anderen Zeiterscheinungen aus, zum Beispiel wenn heute wieder öffentlich oder privat ganz unbefangen, wenn auch oft unter dem Mäntelchen des Small-Talks, von Karma oder früheren beziehungsweise nächsten Leben gesprochen wird. Immer wieder beliebt ist auch das öffentliche Bekenntnis, dass ein verstorbener Elternteil oder naher Angehöriger sicher jetzt mit Wohlwollen auf das Treiben des verwandten Erdenbürgers „von oben zuschaut“. Das sind nichts anderes als Bekenntnisse zu einer höheren Ordnung als sie sich unsere gottlose Schulweisheit zusammenreimen möchte.
Und so zeigen auch entsprechend sensibel durchgeführte Umfragen, dass so gut wie jeder Mensch, der heute lebt, schon einmal in der einen oder anderen Weise eine Art „mystischer“ Erfahrung gemacht hat. Das muss nicht immer eine sogenannte Nahtoderfahrung sein, obwohl man auch dafür erstaunlich viele Beispiele finden würde, oft sind es auch andere ungewöhnliche Begebenheiten wie verblüffende Synchronizitäten, hellsichtige und luzide Träume, das Vernehmen von Stimmen oder sehr eindrücklichen Gedanken, die „wie von außen kommen“, oder auch Begegnungen mit Verstorbenen oder außerkörperliche Erfahrungen auch bei eigentlich völlig areligiösen Menschen. Das Spektrum solcher Arten von Phänomenen scheint schier unendlich zu sein.
Aber wie solch eine letztlich übersinnliche Erfahrung dann von jemandem persönlich eingeordnet und bewertet wird, da scheiden sich die Geister erheblich. Die einen sind erst einmal sehr durcheinander und verunsichert, schütteln sich dann für einen Moment, schalten von dem Schock der Erfahrungswucht auf das ihnen vertraute Verstandesdenken um und sagen sich vielleicht: „Das muss ich mir wohl eingebildet haben“ – oder, wenn das nicht möglich ist, weil das Erlebnis zu real war, verdrängen sie das soeben Erfahrene einfach rundweg ins Nichtbewusste, sofern das noch möglich ist. Ein anderer Teil ordnet die mystische Erfahrung zwar vielleicht als übersinnlich ein, da man aber keinen religiösen oder spirituellen Bezugsrahmen dafür hat, geht er oder sie schnell zur Tagesordnung über, um nicht die gewohnte Weltsicht in Frage stellen und womöglich in seiner Sichtweise auf das Leben Anpassungen vornehmen zu müssen. Anders der dritte Typ von Mensch. Er nimmt die mystische Erfahrung mit einer empfänglichen Seele auf, kostet den damit einhergehenden Erkenntniszuwachs dankbar aus und ist sich der Bereicherung für sein Leben bewusst. Solche Menschen ändern dann auch häufig ihr Leben von Grund auf, sortieren ihre Prioritäten neu und erleben in der Folge nicht selten, dass sie einen deutlichen Zuwachs an Lebensqualität erleben dürfen und sich vielleicht sogar ihr Schicksal zum Besseren wendet.
An diesem Punkt nun müssen wir wiederum eine weitere Differenzierung vornehmen, die einen großen Unterschied machen kann. Denn wenn einem Menschen eine solche mystische Erfahrung widerfährt, dann ist es ein Unterschied, ob er versucht, sie als isolierter Einzelner zu verarbeiten und irgendwie in sein Leben zu integrieren, oder ob er Teil einer spirituellen oder religiösen Gemeinschaft ist oder gar einen geistigen Mentor hat: in der Tradition eines christlichen Beichtvaters, eines islamischen Scheichs, eines russisch-orthodoxen Starez, eines chassidischen Zaddiks, eines buddhistischen Lamas oder eines indischen Gurus. Denn eine tiefgehende transpersonale oder gar Gotteserfahrung hat jederzeit das Potential, einen Menschen ganz aus seinen gewohnten alltäglichen Bahnen werfen zu können. Es ist eines der traurigsten Kapitel der letzten fünfzig Jahre, wie viele hoffnungsvolle junge Menschen im Zuge des Aufbruchs der Hippiebewegung Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre durch überfordernde transpersonale Erfahrungen, oft in Begleitung von exzessivem Mescalin-, LSD- oder Haschischkonsum, in psychiatrischer Behandlung landeten und nicht selten dauerhafte seelische und geistige Schäden davontrugen oder sogar ihr Leben verloren. In fast allen solchen Fällen war es nicht die biologische oder chemische Substanz alleine, die sich so destruktiv auswirkte, sondern die Überwältigung der Seele mit einer transzendentalen Wirklichkeit, welche die schützenden Pforten der Wahrnehmung –bevor diese sich von selbst öffnen konnten, wenn der Geist nämlich für solcherart Erfahrung reif geworden ist – vehement einrissen. Und so finden wir immer wieder auch in der Praxis bei Menschen, die unvorbereitet und plötzlich einer mystischen Erfahrung begegnen, dass sie niemanden haben, an den sie sich damit wenden können, und weil sie das Erlebte nicht alleine auf gesunde Weise integrieren können, dieses abspalten oder verdrängen müssen. Dann ist wieder eine wertvolle geistige Wachstumschance vertan. Denn das ist der eigentliche tiefere Sinn solchen Geschehens: dass wir daran wachsen, reifen und unsere Horizonte erweitern und auf die Dauer zu einer tragenden Persönlichkeit heranreifen.
Leichter ist es dagegen für Menschen, die einer spirituellen Gemeinschaft angehören, die mit solchen Erfahrungen vertraut ist, oder wenn sie sich gar persönlich an einen Mentor mit einem großen eigenen mystischen Erfahrungsschatz wenden können. Aber das bleibt in unserer heutigen Zeit, und insbesondere wenn wir Bürger der westlichen Welt sind, immer noch die große Ausnahme. Und so bleiben viele oft mit ihrer wertvollen Erfahrung alleine, leider auch, weil sie glauben, damit für andere als seltsam oder gar versponnen, oder eben als „esoterisch“ zu gelten und damit aus dem vertrauten Rahmen der sozialen Bezugsgruppe zu fallen. Würden sie hingegen erkennen können, dass sie nur eine Seele unter vielen sind, der so etwas widerfährt, und dass es in den Überlieferungen der Menschheit unzählige ähnliche oder gar gleichartige Zeugnisse gibt, so würden sie sich selbst nicht mehr als Ausnahme, sondern als die Regel sehen können und hätten darüber hinaus etwas, auf das sie mit Recht stolz sein könnten.
Und diese Zeugnisse, von denen als die wichtigsten Dokumente die Heiligen Schriften zu nennen wären, neben einer schier unüberschaubaren Sekundärliteratur, die es heute in Buchform oder im Internet gibt, können nicht nur Struktur in die Verarbeitung solcher Erfahrungen bringen, sondern haben darüber hinaus auch das Potential, Ordnung und Sinn in das Leben eines Menschen zu bringen.
Natürlich sind bei weitem nicht alle mystischen Erfahrungen als gleichrangig zu bewerten. Wenn wir der Genauigkeit halber nun statt mystisch oder religiös das Wort übersinnlich oder transpersonal benutzen, so können wir grob fünf verschiedene Ebenen unterscheiden, aus denen eine solche Erfahrung sich speisen kann:
- aus den ätherischen oder feinstofflichen Naturreichen, 2. aus den niederen oder höheren Astralwelten, 3. aus den kosmischen Bereichen des sichtbaren und unsichtbaren Kosmos, 4. aus den Geisterreichen der Ahnen und abgeschiedenen Seelen und 5. aus den reinen Geistreichen oder himmlischen Welten. Dementsprechend gibt es im Laufe der langen Menschheitsgeschichte auch alle Arten von religiösen Formen, Ritualen und Überlieferungen, die sich mehr aus der einen oder der anderen dieser zu unterscheidenden Sphären speisen.
Darum ist zum Beispiel auch das Phänomen der Medialität nicht bereits ein Zeichen für eine entwickelte Spiritualität, sondern, wie der Name Medium verrät, ist es einfach nur die Vermittlung durch einen medial begabten Menschen aus einer nicht materiellen Sphäre. Das wird heute, in einer Zeit, in der der Umgang mit dem Geistigen ins Abseits gedrängt wurde, oftmals nicht verstanden, wenn die Tatsache alleine, dass jemand mediale Fähigkeiten hat, bereits als Gütesiegel oder gar als Beweis für etwas Großes oder gar „die Wahrheit“ verstanden wird. Überhaupt hat es etwas Tragisches, dass wir heutigen Zeitgenossen, verschuldet durch den spirituellen Kahlschlag der Aufklärung, und nicht zuletzt auch durch den geistigen Nihilismus des Faschismus und Kommunismus mit ihren gottlosen Ideologien, wieder ganz am Anfang zu stehen scheinen, was das Verständnis von religiösen und spirituellen Inhalten und Erfahrungen anbelangt. Daraus ergibt sich dann, unterstützt durch einen weitverbreiteten Zeitgeist des Selbsterhöhung und des Narzissmus, zusätzlich das Phänomen, dass viele von denen, die vielleicht eine mystische Erfahrung gemacht haben, glauben, sie könnten sich den Herausforderungen des geistigen Weges nun ganz alleine stellen: „Ich gehe meinen eigenen Weg“ hört man dann beispielsweise, mit einem gewissen Stolz in der Stimme, viele gerade erst geistig Erwachte erklären. Und sie sind sich dabei nicht bewusst, dass sie damit kurz einmal den reichhaltigen geistigen Erfahrungsschatz von Hunderten von Generationen mit einer zum Teil überbordend reichhaltigen Kunst und Kultur verworfen haben und damit die Unterstützung und notwendige Hilfe für einen inneren Prozess, der gerade von vielen Überlieferungen als eine sehr herausfordernde Heldenreise beschrieben wird.
In früheren und geistig aufgeschlosseneren Generationen als der heutigen hingegen war man sich sehr wohl bewusst, dass es ohne die Unterstützung und Begleitung von einem oder mehreren Mentoren oder Seelenführern, wie sie auch genannt wurden, nicht geht, will man nicht gleich in den Anfangsfallen des geistigen Lebens hängen bleiben. Denn diese Mentoren wussten sehr wohl, auch aus eigener Erfahrung, wie viele Hindernisse, Täuschungen und Versuchungen sich einem ernsthaften Suchenden in den Weg stellen können. Auch darüber gibt es eine reichhaltige Literatur, die sich beispielsweise auch in den Märchen der Völker widerspiegelt. Waren wir nicht alle schon einmal erstaunt, ja fast geschockt, was die oft noch sehr jungen Helden und Heldinnen unserer bekannten Märchengeschichten alles durchmachen müssen? Diese „Kindergeschichten“, die keine sind, waren von der höheren Weisheit, die über dem Menschengeschlecht zu wachen scheint, dafür gedacht, uns auf die Schwierigkeiten, Verwicklungen und möglichen Schicksalsschläge des Lebens schon als Kinder vorzubereiten. Und gerade heute erleben wir wieder eine Tendenz in der Erziehung, den Kindern alle Schwierigkeiten und Herausforderungen im Leben mit einer Mischung aus Überfürsorglichkeit und Lebensangst aus dem Weg zu räumen – was ja letztlich nicht möglich ist – ja ihnen selbst die unschuldigen Volksmärchen nicht mehr zuzumuten, nicht bedenkend, dass eine solche Haltung sie für die unvermeidlichen Härten des Lebens sehr schlecht gerüstet lässt und sie im schlimmsten Falle zu einer Generation von anspruchsvollen Weichlingen und narzisstischen Schwächlingen verkommen lässt. Schon wird die Generation der Nachzweitausender liebevoll besorgt, aber nicht unzutreffend, als „Schneeflöckchengeneration“ bezeichnet.
Nun hat aber unsere Zeit trotz ihrer scheinbar antireligiösen Grundstimmung durchaus noch etwas Besonderes aufzuweisen, und das ist der geradezu konträre Einfluss des kommenden Wassermannzeitalters, das sich als erstes Aufflammen besonders deutlich in der Hippiezeit der Sechziger- und der spirituellen Aufbruchszeit der ersten Hälfte der Siebzigerjahre mit ihren vielen Gurus und spirituellen Bewegungen gezeigt hat. Dieser hoffnungsvolle Aufbruch schien spätestens in den Achtzigerjahren mit seiner schrillen Veräußerlichung abrupt zu Ende gegangen zu sein, doch ist es eher so, dass seine Keime im Verborgenen weiter reiften, wie Samen, die im Vorfrühling manchmal unter einer schützenden Schneedecke dem vorwitzigen Auge des „Realismus“ verborgen bleiben müssen, um nicht zu Schaden zu kommen. Und so scheint manchmal die Patina des oberflächlichen Materialismus des Zeitgeistes sehr dünn zu sein, so als könnte dieser jederzeit eine 180-Grad-Wendung vollziehen, wenn sich beispielweise die Verhältnisse in der Welt finanziell und gesellschaftlich dem Chaos zuneigen, wie für die kommenden Jahre von nicht wenigen Experten, Sehern und Propheten vorausgesagt. Heißt es nicht schon im Volksmund: Not lernt beten? Doch noch dürfen wir hoffen, dass sich im Menschheitsdrama zwischen Licht und Finsternis für einmal das Licht, ohne schlimmste Zerstörung, Hassexzesse und Zusammenbruch, durchsetzt. Steht doch das 20. Jahrhundert als das mit Abstand blutigste in der Geschichte der Menschheit immer noch wie ein Fanal einer gar nicht fernen Vergangenheit, wohin gottlose Ideologien führen können, vor unseren schreckerfüllten Augen. Sollten wir gar nichts daraus gelernt haben? Die nüchterne Erfahrung aus mindestens 6000 Jahren überlieferter Menschheitsgeschichte würde sagen: Wohl eher nicht!
Auf der anderen Seite gab es immer schon in allen Hochkulturen sowohl die ferne Erinnerung an ein mythisches Goldenes Zeitalter als auch die Verheißung eines kommenden Friedensreiches, eine Epoche von weltweiter Prosperität, Verständigung und Frieden, in der „der Löwe und das Schaf aus derselben Quelle trinken“, wie es poetisch auch in der Bibel steht. Und dann, so heißt es, wird auch der Spiritualität und der mystischen Erfahrung wieder der ihr von Anfang an von Gott zugedachte Stellenwert zukommen. Die Zeichen stehen nicht schlecht, dass der von vielen Experten vorausgesagte wirtschaftliche Niedergang vor allem in unserer westlichen Welt – und damit die zwangsweise Abkehr von einer rein materiellen Sicht auf das Leben – auch die in jedem Menschen schlummernde geistig-seelische Seite zu neuem Erwachen bringen kann, wie der Kuss des Prinzen dies für das schlafende Dornröschen vollbrachte.
„Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen; eure Ältesten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen; auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen…“ (Bibel, Joel 2:28)