Über mich – oder „Das Schwere ist des Leichten Wurzel“ ( Lao Tse )
Ich wurde am 28. Mai 1952 im Sternzeichen Zwilling mit Aszendent Schütze in München geboren. Gerade weil ich in einem atheistischen Elternhaus erzogen wurde, habe ich mir zwangsläufig schon als Kind Gedanken über die tieferen Fragen des Lebens gemacht, denn wenn es keinen Gott und kein Fortleben nach dem Tode gibt, so fragte ich mich, was hätte das Ganze dann überhaupt für einen Sinn?
So kann ich es als gute Fügung des Schicksals bewerten, dass ich das Glück hatte, in meiner Adoleszenz in eine Zeit und ein Milieu hineinzukommen, wo spirituelle Anschauungen geradezu zum Lebensgefühl meiner Generation gehörten. So war es nur folgerichtig, dass der unreflektierte Atheismus meiner Kindheit und frühen Jugend, den ich von meinen Eltern übernommen hatte, sich nach und nach in ein spirituelles Weltbild verwandelte. Mir war mit der Zeit ganz selbstverständlich klar geworden, dass es „mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich erträumt“.
Aber es bedurfte dennoch einer einschneidenden Erfahrung, bis ich bereit war, das geistige Leben an oberste Stelle zu rücken. In meinem Falle kam dies durch das Zerbrechen der ersten großen Liebe, die mich in abgrundtiefe Verzweiflung stürzte, aber mir auch gleichzeitig eine erste Ahnung schenkte, dass es noch etwas Größeres im Leben geben musste als die vom Welt- und Zeitgeist so hoch gestellte romantische Liebe. Nun durfte ich, noch keine zwanzig Jahre alt, verstehen, dass diese Suche nach dem Sinn für mich nicht nur eine Option oder ein Lebensstil, sondern geradezu überlebensnotwendig für meine Seele war.
Es heißt: „Ist der Schüler bereit, ist der Meister da!“ Nur einige Monate, nachdem ich mir klar machte, dass ich in meinem Leben nur eine Wahl hatte, nämlich diesen geistigen Weg zu finden, kam ich in Kontakt mit meinem damaligen Meister, einem vierzehnjährigen indischen Knaben, der im Jahre 1971 plötzlich wie aus dem Nichts im Westen auftauchte. Ich erhielt 1973 die Einweihung in das, was das „Wissen“ genannt wurde, eine sehr alte indische Meditationsweise, und hatte damit etwas bekommen, mit dem ich meinem Leben, nach Jahren von Chaos, Ziellosigkeit und Unverbindlichkeit, Struktur und Halt geben konnte. Ich erlebte dadurch auch in meinem privaten Leben ein Glück, wie ich es bisher nicht gekannt hatte. Ich hielt mich für angekommen und war mir sicher, dass ich diesen Platz in der Obhut des Meisters nun bis an das Ende meines Lebens genießen dürfte.
Doch mein unsteter Geist und die göttliche Vorsehung sollten andere Ambitionen mit mir haben. Denn schon bald, wie könnte es auch anders ein, bekam unsere heile indische Welt Risse, und so, als hätte ich vor meinem Erdengang einen Schwur getan, immer nur der höchsten Wahrheit zu folgen, verließ ich die Geborgenheit der Gemeinschaft, in der ich inzwischen sogar den Status eines Ashramschülers hatte, ohne Vorankündigung in einer Nacht- und Nebelaktion.
Nun war ich wieder frei und Herr meiner selbst, so dachte ich zumindest, aber anstatt dass diese neue Freiheit mir zum Segen gereichte, wurde sie mir zum Fluch. Hatte ich doch in meiner Überheblichkeit und meiner Unbekümmertheit unterschätzt, wie sehr mir die spirituelle Disziplin und Gemeinschaft im Ashram seelische Erfüllung und Halt gegeben hatte. Und was liegt in der Unerfahrenheit der Jugend, gefördert durch den damaligen Zeitgeist der siebziger Jahre, näher, als diese Leere, die sich nach und nach in meine Seele einschlich, durch Drogen zu füllen? Und damit begann für mich ein Abstieg, der in kürzester Zeit in einen freien Fall überging, mit allen Elementen des Grauens bestückt, wie psychischer Drogenabhängigkeit, kurzem Gefängnisaufenthalt, Begegnung mit einer Psychosekte, und als abgründigem „Höhepunkt“ sogar der schmerzvollen Bekanntschaft mit einem Schwarzmagier, einer sehr bekannten Berliner Persönlichkeit. Dies hatte einen einwöchigen Aufenthalt in einer Klinik zur Folge; insgesamt aber waren für mich, außer einem infernalischen Schrecken, keine bleibenden Folgeschäden zurückgeblieben.
Nach diesem Höllenritt fand ich mich nun ähnlich wie der Prophet Jona, ausgespuckt durch den Wal, auf trockenem Land wieder, und wie Jona sich widerstrebend erst wieder an seine Berufung erinnerte, so musste auch ich mich fragen, ob das das Erlebte in direktem Zusammenhang mit einer Reihe von merkwürdigen Schicksalsbegegnungen stehen könnte, die ich auf einer Israelreise einige Zeit vorher, im Jahre 1976, erlebt hatte? Dort, im Heiligen Lande, hatten mir drei Männer, man könnte sie auch als Propheten bezeichnen, unabhängig voneinander eindringlich und unter wundersamen Umständen zu vermitteln versucht, dass ich eine Berufung hätte. Ich hatte das nicht wirklich ernst genommen, nicht nur aus jugendlicher Unbekümmertheit, sondern weil ich keinen Anknüpfungspunkt sah, wie ich dies Hohe in mein damaliges Leben hätte integrieren sollen, und so war alles mir Zugesagte rasch wieder in meinem Unterbewusstsein verschwunden.
Nun fand ich mich also in einem Krankenbett in Berlin wieder und erinnerte mich an Israel. Auch wenn ich nichts von all den Zusammenhängen verstand, so war mir nun eines klar geworden: dass sich mein Leben unbedingt in eine andere Richtung wenden musste!
Und so begann ich erst einmal eine geregelte Arbeit als Koch in einem vegetarischen Restaurant, bezog bald darauf eine eigene Wohnung in München und erlebte staunend mit, wie mich eine Fügung, ohne dass ich das bewusst angestrebt hatte, wieder zurück zu der Meditationsgemeinschaft führte. Nun konnte ich erst die Segnungen eines geregelten Lebens schätzen, im krassen Kontrast zu dem zwischenzeitlich chaotischen nach eigenem Gutdünken Vor-sich-hin-Leben. Und in der Meditationsgemeinschaft war es auch, wo ich meine spätere Frau und die Mutter meiner Kinder kennenlernen durfte.
Doch noch war ich nicht bereit für eine bürgerliche Existenz. Noch zweimal zog es mich in die Welt hinaus, freilich immer gezielt einem spirituellen Zweck folgend. Im Jahre 1979 reiste ich zu unserem Meister in die USA, wobei ich innerhalb von vier Monaten einem 7-Tage-Festival, einer Amerika-Tour mit sechs Programmen in sechs verschiedenen Städten und schließlich als dramatischem „Höhepunkt“ einem 3-Tage-Festival in Orlando, Florida, beiwohnte. Letzteres wurde allerdings nach eineinhalb Tagen infolge des Einfalls von Hurricane David, einem der tödlichsten Wirbelstürme des 20. Jahrhunderts, jäh unterbrochen. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft und voller Dankbarkeit daran, wie wir in letzter Minute Unterschlupf in einem naheliegenden Motel fanden und uns drei Tage lang ganz sicher und ohne Angst fühlten, während jenseits der dünnen Fensterscheiben Regen, Blitz und Sturm ihr zerstörerisches Werk zelebrierten. Wenn ich heute, nach so vielen Jahren, auf dieses Ereignis zurückschaue, dann steht es für mich fast wie ein Symbol für die Bewahrung, die allen Gläubigen vor den kommenden Ereignissen des Endzeitgeschehens zugesprochen wird.
Mein nächster Auslandsaufenthalt war schließlich im Sommer 1982 in Kanada, als ich eine sechswöchige Ausbildung zum Yoga-Lehrer bei einem der damals anerkanntesten indischen Yoga-Gurus absolvierte. Obwohl ich dabei erkannte, dass Yoga nicht mein Weg war, durfte ich in einer geistigen Schau doch das Wesen eines Mantras, das in der indischen Lehre eine so überragende Rolle spielt, erfassen.
Und wieder sollte mein Schicksal eine ganz unerwartete Wendung nehmen, als wir, meine spätere Frau und ich, im Sommer 1983 einen Ruf in ein christlich-mystisches Zentrum in den Schweizer Alpen erhielten, den wir gar nicht ausschlagen konnten. Hier, in einer wunderschönen Umgebung im Berner Oberland, sollten wir die nächsten zweieinhalb Jahre unseres Lebens verbringen. Diese Zeit wurde einer der wichtigsten und richtungsweisesten Abschnitte meines Lebens, durften wir doch aus erster Hand Einblicke bekommen, wie das Evangelium in seinem tiefsten geistigen Gehalt zu verstehen ist und welche Aufgabe einige berufene Menschen als Mitkreuzträger auf dieser Erde zu spielen haben. Diese Stätte stand in der Tradition der sogenannten „Neuoffenbarung“ nach Jakob Lorber, und vieles, was in der Bibel verschlüsselt oder nur kurz angedeutet ist, wurde für mich in seiner Tragweite begreifbar – darunter auch ein sonst vielfach falsch interpretiertes Bibelwort: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkünden. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.“ (Johannes 16, 12–13)
Als meine Frau – wir hatten inzwischen geheiratet – dann mit unserem ersten Kind schwanger wurde, war das Ende unserer sorglosen Schülerschaft im Lichtzentrum Bethanien gekommen, das meinem Leben eine so wichtige neue Dimension hinzugefügt hatte. Hatte ich bis dahin, noch ganz unter dem Einfluss meines indischen Meisters stehend, wie selbstverständlich gedacht, dass der Meister und das mystische Christentum in der Essenz die gleiche Lehre vertreten, die nur kulturbedingt in der äußeren Erscheinungsform als verschieden erscheint, so wurde mir klar, dass es sich in Wirklichkeit um ganz verschiedene geistige Sphären handelt, die auch in ihren Lehren an entscheidenden Stellen voneinander abweichen.
Nun war also die Zeit für uns gekommen, diese Stätte, die uns inzwischen geistige Heimat und irdisches Heim geworden war, wieder zu verlassen. Und noch wussten wir nicht wohin, waren uns nur darüber einig, dass wir nicht wieder in die alten Strukturen nach München mit den gewohnten Freundeskreisen zurückkehren wollten.
Und damit begann für uns und in der Folge besonders für mich eine Odyssee ins Unbekannte durch die realexistierenden materiellen Verhältnisse, der ich mich, wenn ich vorher gewusst hätte, was auf mich zukommt, glattweg verweigert haben würde, so bis an die Grenzen des Erträglichen sollte sie mich führen. Die Herausforderung war für mich vor allem deswegen so groß, weil ich mich praktisch, seit ich mit Ende siebzehn von meinem Elternhaus fortgezogen war, immer in einer Art Subkultur bewegt hatte, in der das Spirituelle die klare Priorität einnahm, und so zwangsläufig, einem modernen Hans im Glück ähnlich, überhaupt nichts von den Spielregeln des modernen Arbeitslebens und nur wenig von dem gerade herrschenden Zeitgeist wusste. Und um meine Bürde nicht gerade zu erleichtern, so machte ich mich kurz nach unserer Ankunft im Allgäu auch noch ohne jegliche Vorerfahrung auf einem Geschäftsfeld selbständig, das zwar spannend, aber Neuland und Nische war und deshalb überhaupt keinerlei Risikoabschätzungen oder Wirtschaftlichkeitsberechnungen zuließ. Meine Situation glich dem berühmten „Augen zu und durch“, ohne dass ich eine Wahlmöglichkeit zu haben schien. Hatte ich nach unserer spirituellen Schulung in Bethanien noch naiv geglaubt, mit einer so reichen spirituellen Erfahrung wäre das Materielle im Sinne einer untergeordneten Priorität leicht zu handhaben, so musste ich nun feststellen, dass ich mich erst einmal ganz weit hinten einreihen musste.
In dieser Zeit hatte ich einen bezeichnenden Traum: Ich befand mich im Keller eines Hauses und öffnete eine Türe, die in einen Raum führte, der einem gewöhnlichen Kellerraum in einem Wohnhaus sehr ähnlich war, düster, aber nicht direkt schmutzig, mit einigen abgestellten Gebrauchsgegenständen. Von hier öffnete sich eine Tür in einen nächsten Raum, der weniger Licht hatte und auch um einiges verdreckter war, Spinnweben überall, am Boden krochen Kellerasseln in großer Zahl herum und es roch modrig und stickig. Ich sah am Ende des Raumes eine weitere Türe und ging jetzt schon mit einiger Bangigkeit zögerlich hindurch. Nun wurde es erst richtig düster und meine Augen brauchten einige Zeit, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, während ich einige Schritte in den Raum hinein machte. Was sich dann nach der Helligkeitsadaption darbot, war weit jenseits des Gewohnten. Der Raum war fast völlig dunkel, ein intensiver Geruch nach Fäkalien löste fast einen Würgreiz aus, und überall an den Wänden floss eine schmutzig braune, eklige Brühe herab. Der ganze Boden war feucht und schlüpfrig. Ich verfiel augenblicklich in Panik, und da ich ja erlebt hatte, dass es von Raum zu Raum immer schlimmer wurde, wollte ich nur noch zurück. Doch als ich mich umdrehte, war da keine Türe mehr! Ich war also gezwungen weiterzugehen, ob ich wollte oder nicht. Die Angst hatte mich nun fest im Griff und mein Körper schaltete nur noch auf Flucht und Überlebensmodus um. Jetzt sah ich vor mir die nächste Türe, schritt, meinen ganzen Mut zusammennehmend, hindurch und stellte mit Erleichterung fest, dass es nicht noch schlimmer wurde, sondern da nur ein normaler unaufgeräumter Kellerraum war. Nach einer weiteren Türe zeigte sich mir das Bild eines bereits sauberen, geordneten leeren Raumes mit Betonboden und grau gestrichenen Wänden. An der gegenüberliegenden Wand konnte ich jetzt deutlich eine Holztreppe erkennen. Ich stieg die Treppe hinauf, öffnete eine Holzluke, und vertrautes Tageslicht umflutete mich. Es zeigte sich, dass ich in einer italienischen Eisdiele gelandet war, sauber und gepflegt mit einem Anflug von Dolce Vita, und auf einem kleinen Tisch wartete bereits ein leckerer Eisbecher auf mich persönlich. Noch im Traum verstand ich die Botschaft: Ich hatte eine große, schwere Prüfung bestanden.
Zurück im realen Leben allerdings war von einer Belohnung oder auch nur Erleichterung erst einmal nichts zu spüren. Aber eines hatte ich verstanden: Es blieb mir keine andere Wahl als diesen Existenzkampf aufzunehmen. Auch einem spirituellen Menschen wird im Leben nichts geschenkt, ganz im Gegenteil: „Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel verlangt.“ Und das sollte in den kommenden neunzehn Jahren so etwas wie ein unausgesprochenes Lebensmotto werden.
Im Äußeren kam ein zweites Kind dazu, mein Geschäft entwickelte sich langsam und ich konnte damit so recht und schlecht meine kleine Familie ernähren, meine Kinder in die Waldorfschule schicken, und wir konnten uns auch hin und wieder einen kleinen Urlaub leisten. Ansonsten glichen wir einer ganz normalen Familie mit Haus und Garten, zwei Autos, sonntäglichem Kirchgang, weitläufigem Freundes- und Familienkreis und den Freuden und Sorgen, wie sie wohl 90 Prozent aller realexistierenden Familien kennen. Was uns allerdings von vielen ähnlichen Familien unterschied, war die Existenzangst, die mein dauernder Begleiter in dieser Zeit wurde und die mir nicht wenige schlaflose Nächte beschied. Unser Freundeskreis und auch meine Kinder ahnten davon nichts. Und so sehr ich auch hoffte, wünschte und betete, eines blieb auch in den folgenden Jahren immer gleich: unsere finanzielle Gratwanderung. Da aber alles Schlechte auch sein Gutes hat und alles Schwere mit der Zeit auch das Leichte vorbereitet, so kann ich im Nachhinein erkennen, dass ich wohl kaum auf andere Weise eine solche Lebens- und Charakterschule in so kurzer Zeit bekommen hätte wie gerade durch diese meine besonderen Lebensverhältnisse. Und noch etwas brachte es mir ganz nebenbei: Ich erkannte meine eigentliche und wahre Berufung im Leben!
Und noch einmal sollte mein Schicksal eine brutale, gänzlich unerwartete Wende nehmen, wie ich sie mir nicht im bösesten Alptraum hätte vorstellen können. Unsere bis dahin einundzwanzig Jahre andauernde Ehe zerbrach, und ich fand mich von einem Tag auf den anderen quasi auf der Straße wieder, und hätten mich nicht einige hilfsbereite Freunde abwechselnd für eine oder mehrere Wochen bei sich aufgenommen, ich hätte nicht gewusst wohin – und das im Winter. Doch einmal mehr durfte ich die Lebensweisheit des „Guten im Schlechten“ am eigenen Leib erfahren und erkannte, dass wir immer dann Hilfe bekommen, wenn wir sie am meisten brauchen. Denn ich erlebte in dieser Zeit, wie selten vorher, eine solche Führung und wundersame Versorgung, die darin gipfelte, dass ich in der Genossenschaftssiedlung in München, in der ich als Kind aufgewachsen war, innerhalb von wenigen Wochen eine schöne Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in einer der besten Wohngegenden Münchens beziehen konnte, wo sonst die Wartezeiten durchschnittlich zwei Jahre dauerten. Und als i-Tüpfelchen schenkte mir quasi Mittellosem meine Nachbarin eine komplette Zimmereinrichtung für die ansonsten leere Wohnung. Meine materielle Existenz bekam nun langsam wieder Boden unter die Füße, auch wenn meine Seele mindestens noch ein Jahr brauchte, um ihr Eigenes wieder zu finden, begleitet von wiederkehrenden Zuständen ähnlich denen, die der heilige Johannes vom Kreuz als „ die dunkle Nacht der Seele“ bezeichnete.
Doch auch in meinem Fall (in zweifacher Bedeutung!) heilte die Zeit die Wunden, und ich konnte mich wieder stabilisieren und beobachten, wie nach und nach wieder Ordnung und Freude in mein Leben kamen. Es heißt, die Chinesen haben dasselbe Wort für Krise und Chance, und so durfte ich erkennen, dass jede ehrlich durchlebte Krise immer auch eine Chance für ein Reifen der Persönlichkeit ist.
Und als dann auch die Zeit reif war, lernte ich meine jetzige Frau kennen, mit der mir Gott nicht nur eine wirkliche Seelenverwandte zur Seite stellte, sondern auch einen Menschen, der das geistige Gut in meinem Leben schätzen und fördern konnte. Und nebenbei durfte ich noch dazu eine solche Ergänzung und Bereicherung durch sie erfahren, dass gerade in den Bereichen, wo ich immer schon meine Schwächen hatte, ihre besonderen Stärken liegen, also Liebesbeziehung und Partnerschaft in einem.
Heute, mit 67 Jahren, im Jahr des Herrn 2019, fühle ich mich angekommen. Im äußeren Leben mit einem bescheidenen Lebensstil, bei dem es uns an nichts Notwendigem fehlt und mich die materielle Seite des Lebens nicht mehr belastet. Und im Inneren, weil ich meine geistige Berufung gefunden habe und immer mehr in sie hineinwachsen darf und so, gemäß dem großen Dietrich Bonhoeffer, „getrost erwarten darf, was kommen mag“.
Ihr ergebener Maximilian Yehudi Schäfer
